Wissensdrang - Der Uroletter von APOGEPHA
Rechtliches
Aufklärung – auf die Details kommt es an!
Der Fall
Eine 75-ig Jährige konsultiert den Urologen wegen einer Makrohämaturie mit Koagelbildung. Die TUR(B) weist ein „nicht invasives papilläres Harnblasenkarzinom der Ureterleiste links“ nach. Eine ambulant erstellte Computertomographie: ”Verdacht auf ein am Blasenboden befindliches Tumorgeschehen […] Harntransportstörung 2. Grades links”.

Nach sechs Wochen erfolgt eine Nachresektion, deren histologische Aufarbeitung einen “muskelinvasiven Harnblasentumor” nachweist. Die Harntransportstörung links wird jetzt als Grad 3 klassifiziert – das Kreatinin: 141 µmol/l und die glomeruläre Filtrationsrate 31,4 ml/min/l (Normwert zwischen 80 und > 90). Es erfolgte eine Doppel-J-Kathetereinlage. Die CT des Thorax diagnostiziert “zwei metastasenverdächtige Läsionen rechte Lunge”.

Acht Wochen nach der Erstresektion erfolgt zunächst eine retrograde Ureteropyelographie und eine flexible Ureterorenoskopie, die keinen Ureter- bzw. Nierenbeckentumor nachweist. Es erfolgt in gleicher Sitzung eine vordere Exenteration. Im Operationsbericht: “die nach mehrfachen ausgiebigen TUR’s deutlich fibrotischen Veränderungen werden ebenfalls mit der Biclamp schrittweise koaguliert und durchtrennt, wobei es plötzlich zu einer unerwarteten profusen venösen Blutung kommt”. Der Operateur benötigt etwa 40 Minuten, um die Situation zu beherrschen – die V. iliaca externa war durchtrennt, die er letztlich ligiert. Dabei war stellenweise der systolische Blutdruck auf 40 mm Hg gesunken – 2800 ml Blut wurden abgesaugt. Der telefonisch eingeholte Rat des Gefäßchirurgen in der Nachbarklinik: “Durchtrennung hat keine Konsequenzen. Postoperativ sollten Kompressionsstrümpfe Anwendung finden”.
Die Patientin wurde in die 19 Autominuten entfernte Nachbarklinik auf die Intensivstation verlegt. Sie wurde kreislaufinstabil. Das Notfall-CT diagnostizierte große Blutmengen in allen Quadranten, was eine Massentransfusion notwendig machte. Am selben Tag erfolgt um 21:51 Uhr eine Relaparotomie: “Erweiterung der Inzision bis zum Xiphoid. Teils geronnenes Blut in allen Quadranten abgesaugt […] ca. 3 Liter im Sauger […] Blutungsquelle kann nicht identifiziert werden […] das Gewebe im Op-Situs zeigt diffuse Blutungsbereitschaft. Es erfolgt ein Packing mit insgesamt 8 Bauchtüchern”.

Am 2. postoperativen Tag nach Zystektomie erfolgte die second look Operation: “Spalt zwischen A. iliaca externa und M. psoas wird mit 2 Kollagenkompressen ausgefüllt. Die Sickerblutung steht […] bei kritischer Gesamtsituation werden, trotz fehlender Zeichen einer aktiven Blutung, 2 packs linke Beckenwand und am Blasenboden bis zum Folgetag belassen”. Der weitere Verlauf: “nicht behebbarer Blutdruckabfall, der in eine Reanimation mündet” – die Patientin verstirbt.
Die Klage und das Urteil des Gerichts
Der Witwer verklagt die Klinik und fordert 15.000 € Schmerzensgeld und die vorprozessualen Rechtsanwaltskosten von 3.611 €. Das Gericht urteilt: “fehlerhaft, Patientin nicht aufzuklären, dass im vorliegenden Krankenhaus keine Intensivstation vorhanden ist” […] dies “hat sich aber nicht kausal ausgewirkt” – die Klage wurde damit abgewiesen.

Der Richter hat in der Verhandlung dies als groben Aufklärungsfehler tituliert. Die Patientin hätte sich vielleicht in einer Klinik operieren lassen, die eine Intensivstation für die postoperative Überwachung oder bei Komplikationen, wie hier im konkreten Fall, vorhält. Allerdings konnte meiner Argumentation als Sachverständiger gefolgt werden, dass sich der schicksalmäßige Verlauf auch in einer z.B. Maximalversorgungsklinik hätte so entwickeln können.
Rechtlicher Kommentar
von RA Dr. Oliver Pramann, Fachanwalt für Medizinrecht, Hannover
„Und die Moral von der Geschicht“: Achten Sie auf eine genaue Aufklärung, auch hinsichtlich der Organisationsstruktur vor Ort.
Aber Ihnen kann ja so etwas nicht passieren – oder?
Der Autor
Prof. Dr. med. Thomas Enzmann,
Klinik für Urologie und Kinderurologie am Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel
Der Koautor und Jurist
Dr. Oliver Pramann,
Fachanwalt für Medizinrecht,
Hannover

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