Wissensdrang - Der Uroletter von APOGEPHA
Rechtliches
Klären Sie immer gut auf!?
„Sie vermuten, Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin ist ein Fehler in der Behandlung unterlaufen? Die Krankenkassen und der Medizinische Dienst unterstützen die Patientinnen und Patienten bei der Klärung eines Behandlungsfehlerverdachtes.“
– so steht‘s auf der Homepage vom Medizinischen Dienst Bund, der seit 2022 als Rechtsnachfolger des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen errichtet wurde1 - ein „Mutmacher“ für die tägliche Arbeit unter Zeitdruck.
Der Fall
Ein 26-ig Jähriger konsultiert den Urologen wegen intermittierender Makrohämaturie nach Sex seit dem 19. Lebensjahr. Außerdem hat er ein verkürztes Frenulum.

Es erfolgte eine Cystoskopie: „Prostatabereich sehr vulnerabel, diskrete Kontaktblutung“ […] „in der gesamten Harnblase vermehrte Gefäßzeichnung, keine pathologische Raumforderung sichtbar“ […] „eigentlich nur eine Prostatavarize am Blasenauslass“.

Der Praxisinhaber führt eine transurethrale Operation aus: „Im Blasenauslassbereich multiple kleine papilläre Urothelaufwerfungen[…] „ausgeprägten Venenektasien werden elektrokoaguliert und oberflächlich reseziert unter Aussparung der prae- und paracolliculären Region“ […] „dann dosierte, oberflächliche Elektroresektion der papillären Auslassformationen“.

Postoperativ stellte sich eine retrograde Ejakulation ein. Der niedergelassene Urologe hat dazu wenig Empathie vermittelt.

Der Patient konsultierte einen anderen Urologen, der seine vorgetragene retrograde Ejakulation nach dem transurthralen Eingriff so kommentiert: „besteht seit Resektion von Prostatagewebe am Blasenauslass. Leider scheint es sich dabei um einen dauerhaften Zustand zu handeln“. Die Diagnose gründet sich nur auf Anamnese und transvesikaler Sonographie: „Kerbe im Blasenauslass“.
Die Klage
Der Patient klagte gegen den Praxisinhaber.

Die dokumentierte Aufklärung in der Praxis: „Aufklärung erfolgt mit Hinweis auf Koagulation, ggf. Resektion am Blasenhals und möglichen Komplikationen, keine weiteren Fragen“. Es wurde ein vorgedruckter „Aufklärungsbögen TUR(P)“ benutzt. Hier war angekreuzt: „Prostatainzision, Koagulation bzw. Resektion“ – allerdings weder vom Arzt noch vom Patienten unterschrieben.

Die Stellungnahme des Praxisinhabers zur Aufklärung: „Wir benutzen Aufklärungsbogen für die TUR(P)“ […] „es ist so, dass ich dem Patienten beide Bögen mitgebe und sage, er soll diese zum Narkosegespräch unterschrieben mitbringen, sonst findet an dem Tag nichts statt“ […] „es muss dann wohl so gewesen sein, dass der eine Bogen bei der Arzthelferin abgegeben wurde, diese davon ausgegangen ist, es ist ein unterschriebener Bogen und ihn abgeheftet hat“.
Das Urteil des Gerichts
In der Gerichtsverhandlung wurde die „Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehlern“ thematisiert: „Ein Fehler des Behandelnden wird vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat“.2 "Der Behandelnde hat zu beweisen, dass er eine Einwilligung gemäß § 630d BGB eingeholt und entsprechend den Anforderungen des § 630e BGB aufgeklärt hat."3 Das erkannte das Gericht an und verklagte die Praxis auf 55.000 € - etwa die Summe für eine dreimalige intrazytoplasmatische Spermieninjektion.
Rechtlicher Kommentar
von RA Dr. Oliver Pramann, Fachanwalt für Medizinrecht, Hannover
„Und die Moral von der Geschicht“: Überprüfen Sie Ihre Aufklärungspraxis – Ihnen kann ja sowas nicht passieren – oder?
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Literatur:
1 Medizinischer Dienst: https://www.medizinischerdienst.de/versicherte/behandlungsfehler. Zugriff am 27.03.2022
2 BGB § 630h Abs. 1
3 BGB § 630h Abs. 2
4 BGB § 630e Abs. 1
5 BGB § 630e Abs. 1

Der Autor
Prof. Dr. med. Thomas Enzmann,
Klinik für Urologie und Kinderurologie am Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel
Der Koautor und Jurist
Dr. Oliver Pramann,
Fachanwalt für Medizinrecht,
Hannover

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