Wissensdrang - Der Uroletter von APOGEPHA
Rechtliches
Juristische Fallstricke in der Urologie
Der Fall
Ein 69-Jähriger sucht einen Urologen wegen prostatitischer Beschwerden auf. Als IGEL- Leistung wird eine PSA-Wert-Bestimmung durchgeführt. Am nächsten Tag stellt er sich abermals bei diesem Urologen vor, nunmehr mit Blasenentleerungsstörungen, die zunächst medikamentös behandelt werden. Weitere Termine wurden nicht vereinbart.

15 Monate später veranlasst die Hausärztin des Patienten eine PSA-Wert-Bestimmung im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung - der Wert: 125 ng/ml!
Sie überweist den Patienten zum Urologen, der jetzt einen suspekten Tastbefund der Prostata erhebt und suspekte Areale im TRUS feststellt. Er führt eine Prostatabiopsie bei einem PSA-Wert von nunmehr 152 ng/ml! durch, die in allen Biopsiezylindern ein Prostatakarzinom mit einem Gleasongrad von 5 + 4 = 9 nachweist. Die Knochenszintigraphie weist eine multiple Knochenmetastasierung nach. Der Urologe leitet eine Hormontherapie und folgend eine Chemotherapie ein.

26 Monate nach der Erstkonsultation beim Urologen verstirbt der Patient an seinem Prostatakarzinom. Die jetzt Witwe verklagt den Urologen, dass das Ergebnis der seinerzeit als IGEL-Leistung durchgeführten PSA-Wert-Bestimmung in Höhe 24,9 ng/ml bei der Erstkonsultation nicht kommuniziert wurde.
Der Urologe nimmt dazu wie folgt Stellung:
„Er habe mit ihrem Mann verabredet, dass dieser sich einer Kontrolluntersuchung bei prostatischen Beschwerden unterziehen und im Übrigen den PSA-Wert telefonisch nachfragen solle, wie dies in seiner Praxis üblich sei – dem sei ihr Ehemann nicht gefolgt“
.
Wie sehen Sie das?

Die Einschätzung des Gutachters
Beauftragt von der Schlichtungsstelle habe ich beurteilt:
„Aufgabe des behandelnden Urologen ist es, diesem Wert nachzugehen, den Kontakt zum Patienten zu suchen, weitere diagnostische Maßnahmen zu planen - ggf. zu diesem Zeitpunkt schon eine Biopsie“.

Dieser Einschätzung konnte die Schlichtungsstelle folgen: der Urologe hätte „spätestens einen Monat nach Eingang des Ergebnisses […] den Patienten nochmals telefonisch […] schriftlich auffordern müssen, sich in der Praxis zu melden, um das Testergebnis zu besprechen […] ggf. hätte der Urologe das Testergebnis an die Hausärztin weiterreichen müssen, damit diese mit dem Patienten Rücksprache hält“.

Bei der Einordnung von Fallgruppen schätzte ich dies als Verstoß gegen „voll beherrschbares Risiko“ ein. Darunter fallen Fehlergruppen wie
• mangelnde technische Bedienung
• versehentlich belassene Fremdkörper
• Seiten- und Patientenverwechslung
• Verstöße gegen Obhutspflicht
• Verstöße gegen Hygienevorschriften
• mangelnde Organisation.

Letzteres wäre dem oben geschilderten Fall zuzuordnen.

Das Urteil des Gerichts
Das Gericht sah dies auch so und urteilte gegen den Praxisinhaber. Das Gericht entschied ein Schmerzensgeld von 20.000 EUR und legte ihm darüber hinaus die Beerdigungskosten in Höhe von 3.732 EUR auf.

Der Autor




Prof. Dr. med. Thomas Enzmann, Chefarzt der Klinik für Urologie und Kinderurologie am Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel
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